"Spektakulärer Startschuss für künftige Stadtentwicklung"
Interview Prof. Hubert Möhrle sieht die Landesgartenschau 2026 als enorm wichtige Initialzündung für Ellwangen. Die Stadt soll liebens- und lebenswerter werden.
Herr Prof. Möhrle, sie begleiten seit über 20 Jahren die Landesgartenschauen sehr aktiv, prägten deren Entwicklung mit. Am 14. September wird in Ellwangen der Architekturwettbewerb für die Schau 2026 entschieden und sie sind als Fachpreisrichter wieder mit dabei. Was motiviert sie nach der langen Zeit an diesen Projekten?
Mein wesentlicher Antrieb über all‘ die Jahre war es, dass ich so inzwischen circa 80 Städte kennenlernen und dabei die Stadtentwicklung durch die Schauen immer wieder von außen beobachten und vergleichen durfte. Man bekommt eine Stadt von den Verantwortlichen gezeigt, oft sieht man wahnsinnig tolle „steinern“ Altstädte – wie hier in Ellwangen auch. Und dann kommt die Natur dazu, die Landschaft, ohne die doch alles nichts wäre.
Wie meinen Sie das?
Alles entwickelt sich aus der Landschaft. Alle Siedlungsentwicklungen haben sich entlang von Gewässern abgespielt, schon seit Jahrtausenden, auch weil es damals die einfachsten Transportwege waren. Die steinerne Stadt hat sich, wenn man so will, von der Natur entkoppelt, der Schutz durch Stadtmauern war wichtig, auch die Natur war gefährlich! Wenn man diesen Hintergrund kennt, entwickelt sich auch der Reiz der Aufgabe: Eine kompakte, steinerne, funktionierende Stadt über Öffnungen wieder mit dem Landschaftsraum zu verbinden. Hier in Ellwangen geht es um den Anschluss an die Jagst, das wird ein mitentscheidender Faktor für den Wettbewerb: wie die Vernetzung gestaltet wird, wie die Wege übers Wasser und der Brückenschlag über den Brückenpark gelöst werden.
Die Landesgartenschau bringt Ellwangen also näher, beziehungsweise „zurück“, an die Natur?
Ja, je weiter man sich von der Stadt entfernt, desto weicher wird die Natur. Die Jagst darf wieder ihren Weg suchen, wird nicht mehr reingezwängt in einen Kanal, das Wasser darf frei fließen, sich dynamisch entwickeln. Und das alles wird für Bürger und die Besucher greifbar und erlebbar gemacht. Das Spannende ist, wie die Büros damit umgehen, wie sie die Freiräume behandeln. Erlebniswelten und Spielplätze, das Wegekonzept, die Vernetzung von Fuß- und Radwegen: Das steigert den Erholungswert der Stadt und ist ein wichtiger Punkt, der bleiben wird. Es geht um Naherholung, um das Gegenspiel von Natürlichkeit und Kompaktheit. Das alles wird die Jury bewerten. Und dann auch beleuchten, was emotional berührt, wo Herzblut drinsteckt.
Der offene, europaweite Wettbewerb bedeutet einen enormen Aufwand. Ist es das Verfahren wert?
Davon bin ich absolut überzeugt. Der Wettbewerb ist die beste Möglichkeit für hohe Qualität in der Planung. Wir haben allein in Deutschland über 3000 Büros für Landschaftsarchitektur. Über die europaweite Ausschreibung bietet sich die Chance auch für ausländische Büros, sich zu beteiligen. Wir haben jetzt 11 eingereichte Beiträge von namhaften Büros aus dem ganzen Land. Aufgabe der Jury ist es, sich zu einigen, welcher für Ellwangen am meisten bietet. Wir brauchen einen starken Entwicklungsrahmen!
Die Gartenschauen haben sich seit ihrer Premiere 1980 in Ulm/Neu-Ulm von der Leistungsschau der Branche immer weiter zu Stadtentwicklungsprojekten verändert. Was bedeutet das auch für Ellwangen konkret?
Was von einer Schau bleibt, wird immer wichtiger, als das „Strohfeuer“ im eigentlichen LGS-Jahr. Durch ein solches Großprojekt wird eine Stadt liebens- und lebenswerter. Die LGS ist nur die Grundlage für die weitere Entwicklung für die kommenden 30 bis 50 Jahre. Diesen Ausgangspunkt wollen wir so gut es geht gestalten. Die Bürger sollen ihre Stadt durch die Schau liebgewinnen und danach mit den Verantwortlichen weiterentwickeln. Und die verbesserte Naherholung ist übrigens auch gesund: die Anreize zur Bewegung, zum Aufenthalt in der Natur, dafür ist es sehr berechtigt, Geld zu investieren. Das ist wesentlich besser und am Ende billiger als die ganze „Pillenfresserei“. Stadt- und Landschaftsentwicklung ist auch Gesundheitsprävention.
Was braucht es, um eine Landesgartenschau erfolgreich werden zu lassen?
Ellwangen hat alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Landesgartenschau, neben den nötigen Entwicklungsflächen, die es braucht: Einen hochmotivierten Oberbürgermeister, die Unterstützung des Landrats, des Ministeriums und des Gemeinderats sowie eine aktive Vereinslandschaft mit engagierten Bürgern. Eine Gartenschau kann unglaublich viele Menschen motivieren, das hat man zum Beispiel in Schwäbisch Gmünd und Öhringen gesehen. Es ist toll, wenn die Bürger ihre Stadt mitgestalten. Die externen Besucher wollen genau das auch sehen: wie die Bürger sich einbringen, „ihre“ Schau perfekt machen wollen. Gartenschauen sind eine total emotionale Geschichte, die die Leute mitnimmt und begeistert. Es ist vorweggenommene Lebensfreude und der Moment, dann die strahlenden Augen zu sehen und dieses „Ich-erkenne-meine-Stadt-kaum-wieder“: Das motiviert immer wieder.
Wenn die Bürger sich einbringen, kann das also über 2026 hinauswirken?
2026 wird die Initialzündung für die Stadtentwicklung, die die Herzen ansteckt für eine Runderneuerung der ganzen Stadt. Dann werden Flächen gesehen und wiederentdeckt werden, die vorher nicht im Blick waren. Es sind unheimlich gute Potenziale da, Verbindungen und Gassen, die neu aufblühen werden. Der Weg aus der Stadt an den Fluss wird kürzer. Es zieht die Leute einfach ans Wasser. Ich habe noch nie erlebt, dass so ein Projekt nicht einen unglaublichen Reiz entfaltet hat. Den Startpunkt für den Planungsprozess wird es mit dem Ergebnis des Wettbewerbes ganz schnell geben.
Am 14. September wird das Preisgericht tagen und einen Sieger küren.
Ich freue mich schon darauf, die verschiedenen Pläne zu sehen und über die beste Lösung für Ellwangen zu diskutieren. Dabei sind auch wir Preisrichter neben unserem Wissen und unserer Erfahrung immer mit Herzblut und Emotion dabei. Schließlich wollen auch wir am Ende die Freude sehen, wenn die Bürger die Flächen annehmen, wenn Kinder auf dem Bauch liegend erkunden, was im Wasser kreucht und fleucht, wenn es ein begeisterndes Naturereignis für alle wird.
Information: Am Montag, 14. September, wird das Preisgericht über die eingereichten Entwürfe für den freiraumplanerischen Realisierungs- und Ideenwettbewerb beraten und die Sieger des küren. Elf der Landschaftsarchitekturbüros aus ganz Deutschland haben ihre Beiträge fristgerecht eingereicht. Am Dienstagvormittag, 15. September, werden die Ergebnisse dann dem Gemeinderat und der Presse vorgestellt. Die Wettbewerbsarbeiten sind danach für die Öffentlichkeit zugänglich im Rathaus ausgestellt.
Zur Person: Prof. Hubert Möhrle ist freier Landschaftsarchitekt mit Büro in Stuttgart und unterrichtete ca. 25 Jahre an der HfWU in Nürtingen. Er war rund 10 Jahre lang Vorsitzender im Landesverband der Landschaftsarchitekten (BDLA) davor etwa 10 Jahre im Beirat und 10 Jahre lang Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Förderungsgesellschaft für die Baden-Württembergischen Landesgartenschauen (bwgrün.de). 2017 wurde ihm für seine Verdienste um die Entwicklung der LGS die Silberne Staatsmedaille des Landes Baden-Württemberg durch Staatssekretärin Friedlinde Gurr-Hirsch verliehen. Am Architekturwettbewerb zur LGS 2026 ist er als einer von acht Fachpreisrichtern beteiligt.