November/Dezember 2020 - Der Pennäler Wirtshausbesuch, 1911
Am Ellwanger Gymnasium wurde größter Wert auf das sittlich einwandfreie Verhalten der Schüler gelegt. Selbst in ihrer Freizeit standen die Zöglinge unter strenge Beobachtung durch Rektor und Lehrkörper. Besonders argwöhnisch beäugte man die Gymnasiasten, wenn sie sich in Wirtshäusern aufhielten, waren dies doch Biotope der verbotenen und (meistens vergeblich) bekämpften Pennäler-Verbindungen. Oft wurde zu vorgerückter Stunde der "Famulus" losgeschickt, um zechende Schüler aufzugreifen und der Bestrafung zuzuführen. Nun wollte das Rektorat für den Schuldiener polizeiliche Sonderrechte erwirken, damit dieser auch gegen den Willen der Gaststättenbesitzer die Räumlichkeiten betreten und inspizieren durfte.
Der bekannte Kontrolleifer der Ellwanger Lehrerschaft ging diesmal selbst den vorgesetzten Stellen in Stuttgart zu weit: Mit Erlass vom 4. Oktober 1911 erteilte die Königliche Ministerialabteilung für die höheren Schulen dem Rektorat eine Absage, weil Recht und Gesetz solche Eingriffe nicht hergäben und die bestehenden Möglichkeiten ausreichten. Von großer Wirkung scheinen die abendlichen Kontrollgänge trotzdem nicht gewesen zu sein. Stuttgart ordnete nämlich gleichzeitig an, dem Hausmeister die Sondervergütung für diese Tätigkeit mangels Erfolg zu streichen.
[Bestand Gymnasium, PG III 6]
Oktober 2020 - Entwurfsmodell für das "Fürstpröpste-Rondell" am Marktplatz
Seit Ende September schmückt am Rand des Ellwanger Marktplatzes das sogenannte „Informations-Rondell“ den Bereich zwischen Stiftskirche, Stadtkirche und Landgerichtsgebäude. Gäste der Stadt – aber auch die Ellwanger selbst – können sich dort einem „Crashkurs“ zur Lokalgeschichte unterziehen. Mit kurzen Texten und anschaulichen Bildern geht es durch die wichtigsten historischen Episoden der Stadt: von der Gründung des Benediktinerklosters über die Zeit als Residenzstadt der Fürstpröpste, denen die Stadt ihr barockes Erscheinungsbild verdankt, bis zur Gegenwart, die von der Kunstentfaltung dieser Zeit bis heute touristisch profitiert.
Die Idee zu den kunstvoll verschachtelten Informationstafeln entstand 2017 im Zuge des neuen Tourismuskonzepts, das die Geschichte der Fürstpröpste in Zukunft stärker als bisher betonen will. Schließlich gab es im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation nur drei Fürstpropsteien: Berchtesgaden, Weißenburg im Elsass und eben Ellwangen als die älteste und am längsten bestehende der drei. Grund genug, diese Besonderheit im damaligen Herrschaftsgefüge künftig besser hervorzuheben.
Das Modell des Designbüros Sturm aus Fachsenfeld zeigt den realisierten Entwurf. Die Miniatur im Maßstab 1:20 wurde gleich nach der offiziellen Vorstellung des Rondells an das Stadtarchiv übergeben. Dort ist es im Moment nicht nur der jüngste Neuzugang, sondern auch das jüngste Sammlungsobjekt.
September 2020 - Stadtführer, um 1912
„An der Bahnlinie von Ulm nach Mergentheim […] liegt in einem anmutigen Talkessel der Jagst die Metropole des Virngrunds […]. Beim Näherkommen zeigt sich eine freundliche, kirchturmreiche Stadt, im Vordergrund das wiesengrüne Tal der Jagst, an den Hängen ein Kranz von Anlagen und Baumgärten, weiter rückwärts schattenspendende Wälder.“
So stellte sich die Stadt Anfang des 20. Jahrhunderts als Reiseziel vor. Dieser Stadtführer wurde um 1912 vom Ellwanger Verlag Franz Bucher herausgegeben. Die enthaltenen Illustrationen stammen von Eduard Wengert (1875-1962).
Inhaltlich wendet sich der Stadtführer vor allem an ein regional- und kirchengeschichtlich interessiertes Publikum und gibt der klösterlichen Gründungsgeschichte der Stadt sowie den Sakralbauten viel Raum. Die Stiftskirche war kurz zuvor in vielen Bereichen renoviert worden. Selbstverständlich durfte auch das Schloss nicht fehlen einschließlich der Altertümersammlung des Geschichts- und Altertumsvereins, die man für 20 Pfennige besichtigen konnte. Schulklassen zahlten pauschal eine Mark. Nach dem Schlossbesuch wird ein Abstecher zur Schönenbergkirche mit ihrem „außerordentlich üppigen Stuck“ empfohlen.
Wer mobil sein wollte, dem boten sich in Ellwangen durchaus Möglichkeiten: Pferdefuhrwerke waren z.B. „stets zu haben bei Rief zum Kreuz“ oder auf Vermittlung der Gastwirte. Bei einem Mechanikerbetrieb gab es sogar ein Automobil zu mieten. Für Ausflugsgesellschaften konnte das Postauto gebucht werden. Gastronomische Tipps suchte man in diesem Reiseführer vergeblich. Dafür wurden Erziehungsberechtigte über die damals schon zahlreichen „Lehranstalten“ und die Schulgeldtarife informiert. St. Gertrudis, die noch als „Katholische Höhere Töchterschule“ firmierte, nahm – abhängig von der Jahrgangsstufe – pro Jahr beispielsweise 30 bis 48 Mark (nach heutiger Kaufkraft etwa 150-250 €) und damit fast doppelt so viel wie die städtische Realschule. Der Stadtführer schließt mit einer detaillierten Gottesdienstordnung nebst Hinweis auf Beichtgelegenheiten. Eine ausfaltbare Panoramaansicht sowie eine Straßenkarte runden die Druckschrift ab.
[Archivbibliothek, Akzessionsnr. 2774]
August 2020 - Staffelstab, 2004
Im Mai 2004 wurde aus Anlass des 40. Jubiläums der Städtepartnerschaft mit Langres ein Freundschaftslauf veranstaltet. Ein gemischtes Team aus 33 Läuferinnen und Läufern beider Städte legte dabei die 550 km lange Strecke von Ellwangen nach Langres in sechs Tagen zurück. Los ging es am 24. Mai um 9:30 Uhr auf dem Marktplatz, wo Oberbürgermeister Karl Hilsenbek den Staffelstab für die erste Etappe übernahm. Jede Tagesstrecke bestand aus zehn Etappen. Diese waren zwischen 8 und 15 Kilometern lang und wurden jeweils von wechselnden Staffelläufern absolviert, wobei immer ein Deutscher und ein Franzose gemeinsam liefen. Die Langreser mussten dabei öfter „ran“, denn sie waren nur mit 14 Teilnehmern vertreten, während die Ellwanger 19 Männer und Frauen im Rennen hatten. Die erste Tagesstrecke führte über 106 km bis nach Münsingen, wo das Team im Anschluss an den offiziellen Empfang der Stadt das Nachtquartier in einer Bundeswehrkaserne beziehen durfte. Nächstes Tagesziel war Alpirsbach und am dritten Tag wurde bereits der Rhein überquert. Wer gerade nicht lief, ließ sich im Kleinbus von Etappe zu Etappe chauffieren. Auch für Notfälle war man gerüstet, denn zum Tross gehörten ein Krankenwagen und zwei Ärzte. Am 29. Mai kamen die Staffelläufer glücklich in Langres an und liefen – nun alle gemeinsam – das letzte Stück hoch zur Stadt. OB Hilsenbek trug dabei wieder den Staffelstab mit den Wappen der beiden Partnerstädte.
Größere sportliche Gemeinschaftsunternehmungen gehören schon länger zur Pflege der Ellwanger Städtepartnerschaften. 1987 gab es bereits einen ähnlichen Lauf, der damals umgekehrt von Langres nach Ellwangen geführt hatte und im Juni 2011 wurde zur Feier der 20-jährigen Partnerschaft mit Abbiategrasso eine große Radtour organisiert. Die Route des deutsch-französischen Teams führte 1666 Kilometer von Ellwangen über Langres in die gemeinsame italienische Partnerstadt und dauerte neun Tage.
Der Staffelstab von 2004 ist bereits Archivgut und Teil des zeitgeschichtlichen Sammlungsbestands. Er zeugt von den kreativen und bisweilen aufwändigen Aktivitäten bei der Pflege der Städtepartnerschaften.
Sammlungsbestand, ohne Signatur
Juli 2020 - Ehrenbürgerwürde für Heinrich Himmler, 1935
1934 wurde in der Mühlbergkaserne ein Sturmbann (SS-Bataillon) der „Politischen Bereitschaft“ installiert. Aus diesem Anlass hatte Heinrich Himmler am 23. März 1934 die Truppe in Ellwangen besucht. Die Genugtuung, im katholischen und Zentrums-nahen Ellwangen eine nationalsozialistische Institution dieses Kalibers installiert zu haben, war groß. Außerdem versprach man sich durch die neue Garnison eine „Belebung der Wirtschaftslage und [die] Hebung des Fremdenzustromes“. Aus Dankbarkeit hatte der Gemeinderat beschlossen, dem „Reichsführer SS“ die Ehrenbürgerwürde der Stadt anzutragen. Der akzeptierte gern.
Die Übergabe der Ehrenbürger-Urkunde gestaltete sich jedoch schwierig, denn Himmler würde in nächster Zeit sicher nicht mehr nach Ellwangen kommen. Darum fassten die Gemeinderäte einer Fahrt nach Berlin ins Auge, um das Dokument persönlich zu überreichen. Eine preisgünstige Gelegenheit hätte vom 22. bis 26. Februar 1935 eine „Kraft-durch-Freude“-Sonderfahrt mit der Reichsbahn geboten, doch an diesen Tagen hatte Himmler keine Zeit. Auf alternative Terminvorschläge bekamen die Ellwanger Parteigenossen erst Wochen später Antwort, worin ihnen geraten wurde, am besten „nächste Woche Mittwoch“ nach Berlin zu kommen, was Bürgermeister Adolf Koelle und den Gemeinderäten bei dieser Entfernung freilich zu kurzfristig war.
Im Juni ging das Gerücht, dass Himmler angeblich erneut die SS-Verfügungstruppe in Ellwangen besuchen wollte. Dazu kam es aber nicht. Umso größer war die Aufregung bei den „PGs“, als sich Hitlers oberster Leibwächter am 4. Oktober 1935 zu einem kurzfristigen Truppenbesuch ankündigte. Doch er war so schnell wieder weitergereist, dass aus der Übergabe des Ehrenbürgerbriefs wieder nichts wurde. Schließlich machten die Ellwanger daraus ein Geschenk zu Himmlers 35. Geburtstag und schickten ihm die Urkunde per Post nach München, wo er sich gerade aufhielt. Den Einlieferungsschein mit Poststempel vom 7. Oktober 1935 legte man zum Akt. Auch einige Fotos des Ehrenbürgerbriefs wurden gemacht und beigelegt.
Das Ehrenbürgerrecht der Stadt Ellwangen wurde Himmler, der sich zwei Wochen nach der Kapitulation der weltlichen Justiz durch Selbstmord entzogen hatte, am 12. April 1946 wieder aberkannt.
[Bestand "Flattich" C30/1185]
Juni 2020 - Sozialbetrug im 16. Jahrhundert
Am 3. März 1585 wurde in Frankfurt am Main ein gewisser Balthasar Gentner verhaftet, da er mit mutmaßlich gefälschten Papieren beim Betteln angetroffen worden war. Seinen Angaben zufolge kam er aus Ellwangen und wollte dort 26 Jahre lang Schreiber und Kassier des Ellwanger Stiftskapitels gewesen sein. Dieses habe ihm auch die mitgeführten Dokumente, darunter einen sogenannten Bettelbrief ausgestellt. Wegen seiner Schulden sei er aus Ellwangen entwichen. Im Verhör stellte sich (ohne Anwendung von Folter) heraus, dass Gentner sich die Papiere illegal verschafft hatte und die Siegel aus einer Würzburger Fälscherwerkstatt stammten. Ende April 1585 bat der Frankfurter Magistrat die Ellwanger Räte um Auskunft über Balthasar Gentner und die Umstände seines Weggangs aus Ellwangen.
Was ist ein Bettelbrief?
Verschlechtert sich die wirtschaftliche Situation, nimmt die Zahl der Sozialhilfeempfänger zu. Das war vor Jahrhunderten nicht anders. Auch damals gab es Sozialbetrug, dem man beizukommen versuchte: Da sich unter die Notleidenden auch viel zwielichtiges Gesindel mischte, war das Betteln in vielen Städten und Regionen nur solchen Personen erlaubt, die nachweislich außerstande waren, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen oder die unverschuldet in Not geraten waren. Zur Legitimation erhielten sie einen sogenannten Bettelbrief. In diesem Ausweisdokument wurden die Umstände der Notlage geschildert und dem Inhaber eine fromme Gesinnung bescheinigt. Obrigkeit und Bevölkerung wurden aufgefordert, der Person mildtätig und wohlwollend zu begegnen.
Dementsprechend erzählt Gentners gefälschter Bettelbrief eine zu Herzen gehende Geschichte: Ihm, seiner Frau und seinen sechs kleinen Kindern habe man „bey nächtlicher Weil, durch Diebstall […] alle seine fahrnuß entnommen, darzu feür eingelegt, die behausung abgebrantt, dardurch er nit allein Verdorben, Vnnd In armuth kommen, sondern auß schreckhen dessen, ettwas In ein Vnuernunfft gefallen, Vnnd solcher leibs beschwerung noch nit gentzlich los“. Gentner sei also über so viel Unglück auch noch seelisch krank geworden. Darum habe das Stiftskapitel zu Ellwangen nicht gezögert und ihm „auß schuldigem Christlichem mittleiden“ den Bettelbrief ausgestellt, damit Gentner „bey frommen Christenleüthen hülff bitten Vnd […] sich In seinem grossen Verderben, Vnfall Vnnd Schmertzlichen Ellendt erholen möcht.“
Die Rückantwort des Ellwanger Stiftsdekans folgte mit Schreiben vom 4. Mai 1585 und rückte ein paar „Details“ zurecht: Gentner habe tatsächlich einige Jahre als Kassier des Stifts Ellwangen gearbeitet, sei aber wegen seiner Unzuverlässigkeit und Trunksucht entlassen worden. Durch nachlässiges Führen der Bücher habe er erhebliche Fehlbeträge angehäuft. Da er sich gegenüber Würdenträgern des Stifts wiederholt der üblen Nachrede schuldig gemacht habe, sei er des Landes verwiesen worden.
Die Folgen seines Vergehens bekam Balthasar Gentner hautnah zu spüren, als er am 26. Juni 1585 in Frankfurt am Main „mit Ruten ausgehauen“ wurde – eine damals vergleichsweise milde Bestrafung für einen Urkundenfälscher.
Stadtarchiv Ellwangen, UB 1585/1
Mai 2020 - Ressourcenschonender Behördenstreit, 1917/18
Die meisten von uns haben in den vergangenen Wochen und Monaten zum ersten Mal in ihrem Leben Engpässe bei der Versorgung mit alltäglichen Verbrauchsgütern erlebt, denn plötzlich gab es kein Klopapier mehr. Was aber, wenn auch ganz normales Papier knapp wird? Im vorliegenden Fall müssen wir gut 100 Jahre in der Zeit zurückgehen, nämlich ins Jahr 1918. Vieles war, bedingt durch den Krieg, längst rationiert oder gar nicht mehr zu bekommen.
Im November 1917 hatte sich zwischen der Gemeinde Ellenberg und dem Königlichen Oberamt Ellwangen ein kleiner Behördenstreit entsponnen, der sich bis weit ins Jahr 1918 hinein fortsetzte. Das Oberamt Ellwangen war ein Verwaltungsbezirk, der damals grob von Lauchheim bis Jagstzell und von Bühlertann bis zur bayerischen Grenze reichte. Die Gemeinde Ellenberg hatte im Herbst den Ertrag von etwa 20 Bäumen an der „Rotsteige“ verkauft und dabei 35 Mark und zehn Pfennige zugunsten der Gemeindekasse eingenommen. Davon hatte die Oberamtspflege, die für die Finanzen des Oberamts zuständig war, Wind bekommen. Sie forderte einen Anteil, da einige dieser Bäume auf Kosten des Oberamts gepflanzt worden waren. Das Schultheißenamt Ellenberg machte wenig Anstalten, die Einnahmen mit der Finanzbehörde der Amtskörperschaft zu teilen und stellte sich „dumm“.
Der hier gezeigte Dienstbrief wurde nicht weniger als sechsmal verschickt und jedes Mal um eine weitere Antwort bzw. Rückantwort erweitert. Er ist deshalb übersät mit einer verwirrenden Menge von Textblöcken, Stempeln und Briefmarken. Im behördlichen Schriftverkehr war es früher durchaus üblich, ein Schreiben auf demselben Blatt zu beantworten, doch dieser Brief geht über das normale Maß hinaus. Hier sollte eindeutig Papier gespart werden. Leider enthält der Briefbogen nicht den gesamten Vorgang, weshalb der Ausgang der Sache nicht bekannt ist. Ob die Oberamtspflege ihren Anteil von den Ellenberger Obstbäumen wohl bekommen hat?
[Bestand Kleinerwerbungen, J 607/2]
März/April 2020 - „Küchenzettel“, 1737
Das Archivale des Monats März/April stammt aus dem Jahr 1737 und damit aus der Regierungszeit des Fürstpropsten Franz Georg von Schönborn, dessen Bautätigkeit der Stadt Ellwangen viel von ihrem heutigen Erscheinungsbild zu verdanken hat. Es handelt sich um die Speisenfolge einer sogenannten „Gerichtsmahlzeit“, an der die Mitglieder des Stadtgerichts teilgenommen hatten. Als Stadtgericht bezeichnete man bis ins 18. Jahrhundert den Stadtrat, der damals noch Recht sprechen und Gerichtsurteile fällen durfte.
Die als Gerichtsverwandte oder Stadtgerichtsschöffen bezeichneten Ratspersonen wurden bei Bedarf nachgewählt, sobald einer von ihnen ausgeschieden war. Dabei wurden üblicherweise drei als geeignet angesehene Männer aus der Ellwanger Bürgerschaft vorgeschlagen und einer von ihnen durch Votum zum Nachfolger bestimmt. Die Kandidaten wurden übrigens nicht gefragt, denn in bemerkenswerter Klarheit stellt das Ratsprotokoll fest, dass sonst keiner von ihnen, „wann es auf deren freyen Willen angekommen were, sich in dem Stattgericht befinden würde.“ Dass Leute tatsächlich gegen ihren Willen in den Gemeinderat gewählt wurden, belegt ein Vorgang, der sich wenige Jahre später abgespielt hatte: 1740 wehrte sich ein „Gewinner“ gegen seine Wahl mit der Begründung, dass er sich die Übernahme des Amtes wegen seiner Schulden und seiner vielen Kinder nicht leisten könne.
In der Tat war dieses Ehrenamt mit erheblichen Kosten verbunden, denn jeder neu Gewählte musste zunächst einmal das sogenannte Rekognitionsgeld an seine Kollegen und einige Funktionsträger, darunter den Stadtvogt und den Pfarrer, bezahlen. Das reichte von anderthalb Gulden pro einfachem Ratsmitglied bis zu vier Gulden für den Stadtschultheißen und summierte sich zu einem stattlichen Betrag. Anschließend war es Sitte, das gesamte Stadtgericht zum Essen auszuführen. Die Kosten für das Mahl, bei dem es an nichts fehlte, konnten ohne Weiteres zwischen 60 und 100 Gulden ausmachen und damit das Jahreseinkommen eines Handwerkers überschreiten. So mancher Ellwanger Bürger dürfte bei diesen Aussichten nervös geworden sein, sobald im Stadtgericht wieder ein Stuhl vakant wurde.
Bei der Gerichtsmahlzeit vom 2. Dezember 1737 feierte Johann Ostertag, der Weißochsenwirt, seinen Einstand als Ratsmitglied. Dass Ostertag ins eigenen Haus eingeladen hatte, ist naheliegend, aber nicht belegt. Stolze 21 Gänge wurden den Herren vorgesetzt. Es ist ein seltener Glücksfall, dass diese Zusammenstellung zeitgenössischer Speisen in Form eines „Küchenzettels“ erhalten geblieben ist. Im Einzelnen wurde aufgetragen (wörtliche Transkription):
1. Suppe mit Hennen
2. Kalbs Kopf mit gebachen Kalbsfüß
3. Rindtfleisch mit Kren
4. Carviol mit Carbinat (Pökelfleisch) und Brath Würst
5. Postetten mit junge Hüner
6. gebratten Span saü
7. Schwarz Wildtpräth
8. Wälsche stuckh
9. Gedänffte Eittene
10. Gebrattene Vögel
11. Hecht in der Butter Brüehe
12. Gebratten Rehe schlägel mit Rapper Brüehe
13. Specerey tourth
14. gebratten feldt Hüener oder Schnöpfen
15. Blau abgesotten Karpfen
16. Gebratten Hasen mit Raum Brüehe
17. Gebrattene Koppen
18. Stenckh tourt
19. Gebratten Kalbsschlägel
20. Schüncken
21. Sallath
Die meisten Gerichte würde man sich auch heute noch schmecken lassen, auch wenn sich manche Bezeichnung oder Gewohnheit geändert hat. Ein „Welsches Stück“ stünde heute als Pute auf der Karte. Rindfleisch wird heute nur noch wenig gegessen, dafür umso mehr „Beef“, und den Salat isst man heute eher vor- als hinterher.
Anton Rathgeb konnte sich übrigens erfolgreich gegen seine Wahl zum Gerichtsverwandten wehren, nachdem er den Fürstpropst mit einem flehentlichen Brief um Beistand gebeten hatte. Dadurch war der Landesherr erst auf den Brauch des Stadtgerichts aufmerksam geworden und war über die sündhafte Völlerei nicht erfreut. Noch im selben Jahr wurde die Gerichtsmahlzeit abgeschafft und verboten.
[Bestand EL, A IX 9/2]
Januar 2020 – Reichstaler, 1623
Der „Münzschatz von Ellwangen“, der als einer der bedeutendsten seiner Art im süddeutschen Raum gilt, wurde 2017 von Sondengängern entdeckt. Er ist noch bis zum 19. Januar im Rahmen einer Sonderausstellung im Alamannenmuseum zu besichtigen. Ein anderer nicht alltäglicher Fund wurde im Herbst des vergangenen Jahres von einer Ellwanger Bürgerin beim Ausführen ihrer Hunde gemacht: Von einem Acker in der Nähe des Rabenhofs apportierte einer der Vierbeiner nicht etwa das Stöckchen, sondern brachte stattdessen ein Stück Metall mit. Das stellte sich als Reichstaler aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges heraus.
Die Hundebesitzerin verhielt sich vorbildlich und meldete den Fund über die Stadtverwaltung dem Landesdenkmalamt. Da solche Stücke nicht übermäßig selten sind und die recht zerschrammte Münze weder von materiell noch wissenschaftlich überragendem Wert war, durfte die Finderin den Taler behalten und überließ ihn gegen eine angemessene Entschädigung dem Stadtarchiv.
Dieser Silbertaler, der keine Wertangabe trägt, stammt aus dem Jahr 1623. Die Vorderseite (Avers) zeigt das Konterfei des Römisch-Deutschen Kaisers Ferdinand II., während auf der Rückseite (Revers) das Habsburgerwappen abgebildet ist. Die Randschrift auf beiden Seiten gibt – in lateinischer Sprache und stark abgekürzt – die wichtigsten Titel des Kaisers wieder. Talerstücke wie dieses waren im gesamten Heiligen Römischen Reich gültig.
Sammlungsbestand Objekte/Numismatik